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Detlefs Bericht vom FCB # 149 in September

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 Folk Club Nr. 149 im September – Mit Freundschaft geht es besser

„Freundschaft“, so lautete das Motto der 149. Ausgabe des Folk Clubs. Damit konnten doch zahlreiche Künstler des Abends etwas anfangen. Und wenn das Lied nicht so recht zum Thema passte, dann wurde es passend interpretiert. Entscheidend für einen Folk-Club-Abend ist ohnehin, dass Künstler und Publikum Spaß haben, und das war uneingeschränkt der Fall.

Wie immer eröffnete Zeremonienmeister John Harrison den Abend mit Liedern über Jugendfreunde und von ihnen: „Flan“ lautet der Titel des von John selbst verfassten traurigen Liedes über seinen Freund Kieran Patrick Flannery, der schon mit 15 Jahren unter nie geklärten Umständen ums Leben kam. Auch nicht alt wurde Johns Freund Jonathan Ole Wales Rogers, der mit 27 Jahren bei einem Autounfall ums Leben kam. Dessen Lied „Angel In Disguise“ hatte John auch bei Jonathans Beerdigung spielen dürfen. Beiden Liedern merkt man Johns innere Verbundenheit mit den betroffenen Personen an.

Auch ein Freund Johns ist der Grüne Mann, eine mythologische Figur, die in Nordwesteuropa als Archetyp der Erdverbundenheit an zahlreichen Gebäuden und Gegenständen figürlich als blattumrankter Kopf zu finden ist. Sogar an etlichen Kirchen findet man den Grünen Mann. In Bonn kann man ein Exemplar im Rheinischen Landesmuseum an der sogenannten Pfalzfelder Säule bewundern. „The Green Man“ lautete der Titel des Liedes von Malcolm Guite, das John gekonnt sang und spielte

Immer für eine originelle Überraschung gut ist Holger Riedel. Mit drei Anleihen bei andern Autoren thematisierte er sich selbst auf dem Klavier begleitend das Thema „Freundschaft“. Den Start machte „Hänschen Klein“, das in die Welt hinein geht und trotz langer Abwesenheit bei der Rückkehr von der liebenden Mutter sofort wiedererkannt wird. Der Bezug von Freddy Mercurys Lied „Friends Will Be Friends“ ist selbsterklärend, und bei „Help“ von den Beatles ist es der Schrei nach Hilfe und Freundschaft, den die Fabulous Four meisterhaft in Musik umgewandelt hatten. Holger machte aus den drei Liedern ein expressionistisches Klanggebilde mit teils wilden Harmonien und Disharmonien – etwas gewöhnungsbedürftig für manche, aber doch ein origineller Spaß.

Auch originell ist Kai Hofstetter, ein schwergewichtiger Franke, der uns seine Lieder in seiner heimischen Mundart präsentierte. Er erklärte seine Musik dem „Main-Delta-Blues“ zugehörig. Die Geografie-Experten unter Euch könnten nörgeln, es gebe ja gar kein Maindelta, sondern lediglich eine öde, durch Flussbegradigung und Industrie verschandelte Mündung des Mains in den Rhein. Und gäbe es ein Maindelta, so läge es auch nicht in Franken, sondern in Hessen. „Ist ja schon gut“, sagt Euch Euer Hofberichterstatter. Hier geht es nicht um Geografie, sondern vielmehr um eine Anspielung an das Mississippi-Delta, das berühmt ist für seine Blues- und Cajun-Musik und wo es Leute gibt, die es in Sachen Knorrigkeit locker mit Kai aufnehmen können. „Der alde Blues“ beschreibt ein nicht näher Bestimmtes Wesen (oder Unwesen), das offenbar die Fähigkeit besitzt, den Menschen das Blues-Gefühl zu verschaffen „wenn der Vollmond übern Fluss steigt“. Bei „Roude Haar un Erlenhecke“ (wachsen an geen goude Ecke) geht es um die Ermahnung von Kais Oma, sich vor rothaarigen Frauen zu hüten. Die Oma muss es wissen, denn sie war in jungen Jahren selbst rothaarig. „Des grüne Viech vom Fluss“ ist so etwas wie ein Gegenstück des Grünen Manns für die Kinder (interessanterweise sind beide grün), denn es beschützt die Kinder und sorgt für Gerechtigkeit. Viel Applaus für Kai und seine Lieder, die mal ganz anders daherkommen als die übliche Folk-Kost.

Auch etwas Ungewöhnliches präsentierte uns Andreas Kulik, nämlich drei schöne Lieder in seiner polnischen Muttersprache. Jetzt muss ich mir auch noch richtig Mühe geben, die Titel ohne Fehler und versehen mit polnischen Sonderzeichen zu Papier zu bringen: „Noc cerwcowa“ (Juninacht) ist ein als Pfadfinderlied gehandeltes, poetisches Lied von Konstanty Ildefons Gałczyński (Text) und M. Ochimowska (Melodie), das Andreas stark bearbeitet hat. „Czarny Blues O Czwartej Nad Ranem“ (Schwarzer Blues um vier Uhr am Morgen) ist ein Lied der in Polen sehr populären Gruppe Stare Dobre Małżeństwo (Gute Alte Ehe – witziger Name!). Im Lied geht es um eine Person, die um vier Uhr am Morgen ein Lied für eine andere Person singt, aber die angesprochene Person ist weit weg, vermutlich auf der anderen Seite der Erde, auf der es Winter ist, während hier Sommer herrscht. „Nie zabierai mi strun“ (Nimm mir meine Saiten nicht weg!) ist ein polnisches Volkslied, das Andreas mit viel Gefühl und unterstützt mit Gitarre und Mundharmonika vortrug – großer Applaus für Andreas und seine polnischen Lieder.

Fomiander heißt die Gruppe, die als erste der beiden Featured Artists des Abends auftrat. Der ungewöhnliche Name ist im Folk Club schon bekannt und ist die Kurzform von Folk-Mittelalter- und andere schöne Lieder. Diesmal war die Truppe komplett mit fünf Personen erschienen: Mario Dompke (Gesang und Gitarre/Banjo), Sonja Daniels (Gesang, Ukulele), Manfred Möhlich (Gitarre/Gesang), Biggi Meyreis (Kontrabass), Karin Thomas (Querflöte/Xylophon). Etliche Lieder der Gruppe stammen aus Marios unerschöpflicher Feder, so auch das Lied vom „Humbidum“, das eine weitere Variante der Figurenwelt der Geister darstellt. Der Humbidum, der umgeht, ist ähnlich wie der Grüne Mann von John Harrison und Kai Hofstetters Grünes Viech vom Fluss für irgendwas verantwortlich, man weiß nur nicht genau wofür. Fomiander haben uns zudem nicht verraten, ob der Humbidum nicht auch grün ist, aber vielleicht ist auch das ungeklärt. Sonja interpretierte die Gesangsstimme mit viel Humor.  Passend zum Thema des Abends war das Lied „Friend For A While“ von Kieran Halpin. Mario bediente bei diesem Lied zur Abwechslung mal das Banjo und Manfred steuerte den Sologesang bei. Das Lied, das das Wort Freund nur im Titel trägt, ist eines von den Liedern, mit dessen Text euer Hofberichterstatter – vielleicht aus Mangel an Fantasie und Vorstellungsvermögen – recht wenig anfangen kann, aber immerhin ist die Musik einprägsam und melodisch. Bei Georg Kreislers nachdenklichem und ironischen Lied „Zu leise für mich“ wechselte Flötistin Karin zum Xylophon, und Sonja sang es einfühlsam. Mario versuchte zuvor auch dieses Lied mit Klimmzügen in das Thema Freundschaft einzugliedern. Mit viel Fantasie lassen wir es gelten. Aber der morbide Text des Liedes bezieht sich doch auf andere Zusammenhänge wie z.B. auf die spöttische Betrachtung des teilweise Unvermeidlichen. Ernste Zusammenhänge thematisierten die Fünf mit dem Lied „Bunte Bänder“, in dem es um Freundschaft nach dem Ende des Jugoslawienkrieges geht. Und es geht darum, dass auch in schweren Zeiten sich die Menschen mit gelegentlichen fröhlichem Feiern über das Elend hinweghelfen. Vor dem Lied hielt Mario mit dem Gedicht „Sagt nicht wieder, Ihr hättet es nicht gewusst“ den Menschen angesichts der Ergebnisse der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen den Spiegel vor. Eher witzig ging es dann in Marios Lied „Wenn ich dann gestorben bin“ zu. Mario wünscht sich mit dem Lied nach seinem Tod am und ums Grab Fröhlichkeit und Gesang – ok, wir sind dabei, wenn wir denn bei der Gelegenheit zu den Übriggebliebenen zählen dürfen. 

Zum zweiten Mal durften wir Van Demian alias Jacob Hoffmann im Folk Cub begrüßen, der schon im Juni einen Kurzauftritt hatte. Eines seiner Lieder „The Sun“ hatte er selbst verfasst. Der Inhalt ist dem Autor zufolge ein Rat eines Freundes an einen Freund – somit passend zum Thema des Abends. „Poncho and Lefty“ von Townes van Zandt ist ein echter Country-Song über zwei Banditen (Freundschaft!) und eine Verherrlichung des freien Lebens. Das Lied „Motherless Child“ von Dave van Ronk hat Van Demian nach eigenem Bekunden ausgesucht, weil es Situationen beschreibt, in denen selbst Freundschaft versagen kann. Van Demian transportiert mit seiner Interpretation sehr authetisch die Traurigkeit der Umstände.

In bewundernswerter Manier interpretierte Knut Rausch mehrere Lieder mit schwierigen Gitarrenpassagen. Den Anfang machte er mit BAPs Lied „Jupp“ (aus dem Album „Für Uszeschnigge“), wunderbar gesungen und begleitet mit feinem Fingerpicking. Nach eigenem Bekunden hat Knut sich erst in fortgeschrittenem Alter in das Gitarrenspiel vertieft, Respekt für das Ergebnis. „It’s Never Too Late“, den Titel des Instrumentals des australischen Gitarrenvirtuosen Tommy Emmanuel hat er sozusagen zu seinem persönlichen Musikmotto erkoren. Auch diese technisch extrem anspruchsvolle Stück meisterte Knut recht passabel. Wirklich hörenswert war dann seine Interpretation von Werner Lämmerhirts Version von „Corinna, Corinna“ einem Lied, dessen Urheberschaft umstritten ist, und von dem es zahlreiche Varianten gibt.

Eng ans Thema hielten sich Jörg Bohnsack und Uli Abt, die uns Randy Newmans Lied „You’ve Got A Friend In Me“ vortrugen. Mit Vera Lynns Gassenhauer „We’ll Meet Again“ erinnerten sie an unseren verstorbenen langjährigen Weggenossen Steve Perry. Recht kurz vor seinem Tod durften sie für ihn dieses Lied spielen, bei dem diesmal der ganze Saal kräftig mitsang.

Caroline Bernotat bat als Walk-in ganz höflich um Erlaubnis, das Lied zu singen, das sie im Juli wegen einer Erkrankung nicht hatte vortragen können. Ihr erinnert Euch: Der Juli stand im Zeichen des a cappella-Gesangs. Ohne Instrumentenbegleitung ganz allein zu singen ist immer eine Herausforderung und in gewisser Weise auch eine Mutprobe. Hier war große Bewunderung und viel Applaus angesagt für die Art und Weise wie Caroline das Lied „When I was In My Prime“ von Bert Jantsch vortrug, das erstmals von der britischen Gruppe Pentangle veröffentlicht wurde – Gänsehaut pur.

Am Ende des Abends durfte dann die zweite Featured-Artists-Gruppe auf die Bühne. Durfte? Nein das „Dürfen“ war ganz bei den Zuhörern: Sie durften sich glücklich schätzen, die beiden Bonner Chanson-Kabarettistinnen Grün und Hut (alias Ursula Hoffman und Stephanie Huthmacher) zu hören und zu sehen. Die beiden sind mit und ohne Bezug ihrer Lieder zum Thema des Abends dessen Inkarnation. Seit sie sich in ihrer Schulzeit in den 1960/1970er Jahren in Bonn kennenlernten, sind sie befreundet und machen gemeinsam Musik. In unnachahmlicher Manier und mit wunderbarer Zweistimmigkeit stellten sie uns ihre Lieder vor, in denen sie meist humorvolle Betrachtungen über allzu Menschliches anstellen. „Du hast mich“ behandelt niedliche Varianten des Zusammenlebens, bei denen man am Ende dankbar sein darf, jemanden zu haben, der einem hilft. „Heiner“ ist der stets verständnisvolle Freund, den man immer anrufen kann, wenn die Einsamkeitsgefühle überhandnehmen und es bis zum Tatort noch volle acht Stunden sind. „Mach’s gut“ ist eher etwas melancholisch und thematisiert einen Abschied, bei dem man sich gegenseitig verspricht, sich bald oder irgendwann wiederzusehen. Aber wie das dann weiter verläuft, hat sicherlich jeder schon einmal erlebt. Die Melodie in Molltönen und mit schöner Chromatik passte bestens zum Lied. Deftig und trinkfreudig ging es dann mit dem französischen Trinklied „Ami dans cette vie“ zu. Auf halber Strecke wechselten die Beiden dann in die deutsche Sprache („In meinem ganzen Leben blieb ich dem Trübsinn fern“). 

Dieses Lied war eigentlich schon die Zugabe, aber der Saal ließ die Beiden noch nicht ohne einige weitere Lieder gehen. „Tussi“ ist der Titel des Liedes, bei dem die Frau den Mann, der sie verlässt, fragt: „Was hat denn diese Tussi da, was ich nicht hab?“ Tja, das Leben ist ungerecht! „Die Dinge des Lebens“ sind wirklich vertrackt. Neben durchaus angenehmen Dingen wie Ganzkörpermassage und Currywurst auf Schalke gibt es aber auch fiese Dinge wie Mandelentzündung, Würmer im Mehl, Durchfall im Reisebus. Das Ganze haben die Beiden musikalisch und humorvoll herrlich aufbereitet. Zum Schluss beglückten sie den Saal mit einem zarten Liebeslied, bei dem die großen Gefühle in witzige und fantasievolle Vergleiche von zusammengehörigen Dingen gekleidet werden. „Wär‘ ich ein Cognac“ lautet der Titel des Liedes – herrlich! Wenn die Beiden irgendwo auftreten, Ihr dürft sie nicht verpassen – Großer Applaus für Grün und Hut.

Ja, so vollgepumpt mit Glückshormonen wurde dann auch noch die Hymne an Jock Stewart, den Patron des Folk Clubs gesungen, und alle gingen voller Vorfreude auf den nächsten Folk-Club-Abend am 4. Oktober heim.

 



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